AIDS-Forschung 9 (1994): 574-628 (312)


Spermizide als Mittel zur HIV-Prävention bei Heterosexuellen

Knut M. Wittkowski

Institut für Med. Biometrie der Eberhard-Karls-Universität, Tübingen


Bei Homosexuellen gibt es deutliche Anzeichen dafür, daß eine häufigere Verwendung von Kondomen zum Rückgang der HIV-Inzidenz nach 1985 beigetragen hat. Trotz intensiver Aufklärungskampagnien gibt es jedoch erhebliche Zweifel daran, daß die Kondombenutzung auch bei Heterosexuellen in relevantem Umfang angestiegen ist. Gerade für Frauen, die trotz ihrer stärkeren Gefährdung einen Wunsch nach Verwendung von Kondomen zu ihrem Schutz oft nicht bei ihrem Partner durchsetzen können, wären ,unauffälligere' Methoden sinnvoll [1].

Es werden die Ergebnisse verschiedener in vitro und in vivo Studien zur Sicherheit sowie zur Effektivität von Spermiziden gegen Spermien, Bakterien und Viren in einer Übersicht dargestellt [2]. Anhand eines mathematischen Modells wird die Effektivität von chemischen Barrieren gegenüber mechanischen Barrieren abgeschätzt [3]. Es wird nachgewiesen, daß die Ergebnisse nur dann sinnvoll interpretiert werden können, wenn Altersstruktur der Probanden, Applikationsform und ethische bzw. methodische Probleme bei der Durchführung der Studien berücksichtigt werden.

Für das Detergenz Nonoxinol-9 (N9) wurden in den ca. 35 Jahren seiner Anwendung keine relevanten Nebenwirkungen beobachtet. Gelegentlich auftretende Irritationen können sogar wichtige Hinweise auf inapparent verlaufende sonstige Geschlechtskrankheiten geben. Bei geeigneter Applikationsform und vergleichbarer Alterstruktur ist N9 als Mittel zur Empfängnisverhütung mindestens ebenso effektiv wie Kondome. Die Wirksamkeit gegen Bakterien und Viren (HSV, HBV) wurde mehrfach ( in vivo und in vitro belegt. Die Bedenken, gegen eine Übertragung entsprechender in vitro Ergebnisse zu HIV [4], die eine ethisch und methodisch problematische Studie aufgeworfen hatte [5], können nach neueren Ergebnissen [6] als ausgeräumt angesehen werden.

Frauen, die nicht regelmäßig mehrmals täglich Verkehr haben, können ihr Risiko einer HIV-Infektion durch die Verwendung von Spermiziden erheblich reduzieren.


[1] AJPH 80

[2] Über die Bedeutung von Detergentien für die HIV-Prophylaxe unter Heterosexuellen. (On the impact of detergents on HIV prevention strategies for heterosexuals.) AIDS-Forschung 3

[3] Die Abschätzung der Effektivität von Barriere-Methoden zur HIV-Prophylaxe. (Assessing the effectivity of barrier methods for HIV prevention.) AIDS-Forschung 4 (mit Diskussion

[4] Lancet 2/1986

[5] JAMA 268

[6] AJPH 84 :1032


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